"Es prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet..."
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Annas Ehemann Peter beim Schuhemachen (Foto: privat) |
Vater wurde bald darauf krank und war im Krankenhaus.
Bei der Primiz war auch der Keller bei uns voll Wasser. Vorher hatten die Hausbewohner Kränze gebunden für einen Schwibbogen, und Türen bekränzt, dann taten sie's im Keller. Durch so viel Regen drang auch im Keller das Wasser durch, seither hatten wir nie mehr so viel Wasser. Die Männer mußten mit Stangen und Haken die Kränze herausfischen.
Im Jahre 1955 kam Friedl als Kooperator nach Gallneukirchen, dort war er vier Jahre. Im Jahr 1959 heiratete Greti, die Hochzeit war in Gallneukirchen, es war eine sehr schöne Hochzeit. Der Bräutigam war Diözesanjugendführer, so gab's so viele Jugend mit Fahnen. Hr. Pfarrer von Gallneukirchen wußte schon, daß Gottfried versetzt wird, doch wegen der Feier schwieg er. Ende der Ferien kam er in die Familienpfarre nach Linz, dort war er ungefähr zwei Jahre, dann landete er im Kolpinghaus.
So waren die Kinder versorgt, bis auf Peter. Er hatte als Kind immer gesagt, er werde Roßknecht. Da Grete viel und oft beim Willinger war, war er auch ein paarmal dort, da gefielen ihm die Pferde. Doch ich glaube, durch die Primiz von Gottfried war er beeindruckt. So kam ihm auch der Gedanke, Priester zu werden. So wollte er ins Petrinum. Wir waren darüber nicht erfreut, schon aus finanziellen Gründen, denn Gottfried ging ja auch ins öffentliche Gymnasium. Doch er wollte es so, und es ging auch dann ganz leicht, man kam uns sehr entgegen.
Er war ein schwaches Kind, als er mit zehn Jahren ins Internat kam. Diesen Tag werde ich in meinem Leben nie vergessen. Dies kann niemand verstehen, wie mir dort zu Mute war, das weiß nur Gott allein. Ich glaube, es war einer meiner bittersten Tage, doch das starke Gottvertrauen half mir auch über dies hinweg.
Ende der fünfziger Jahre fing mein Mann zu kränkeln an, hustete oft in der Nacht stundenlang. Der Winter war für die Straßenwärter sehr schwer. Wenn es eisig war, mußte er oft schon um 3 Uhr aufstehen und in den Steinbruch um Streusand, dann streuen. Die Krankheit wurde schlimmer, so ging er frühzeitig in Pension. Er mußte auch öfters ins Krankenhaus, der Zustand wurde immer bedrohlicher.
Es war Darmkrebs. Im Jahre 1968 kam dann das Ende. Es war alles sehr schmerzhaft. Vorher dachte ich oft, ich kann gar nicht daran denken, wenn es einmal so weit ist. Es war mir so vieles unerträglich. Als es dann so weit war, konnte ich es selbst nicht fassen, daß mir alles so leicht fiel. Dies kann niemand verstehen, wer es nicht selbst erleben darf. Ich dachte halt immer, Gott hat mir außergewöhnliche Gnaden gegeben, wofür ich mein Leben lang zu Dank verpflichtet bin.
Es haben mir auch die Kinder sehr viel geholfen. Sie waren und sind immer sehr gut zu mir gewesen. Peter hat damals in diesem Haus gewohnt. Wenn er von der Schule heimkam, kam er jedesmal zum Begrüßen herein. Dies hat mich sehr gefreut. Es ist nicht leicht, allein zu sein, wenn man neununddreißig Jahre in guter Ehe gelebt hat.
Gute Menschen um sich zu haben ist ein unschätzbarer Wert. Ich fühlte mich oft reich und glücklich. Wo ich mich auch glücklich fühlte, war, daß nach dem Karenzjahr die Schwiegertochter in Beruf ging. So hatte ich das Gefühl, gebraucht zu werden. Dies war auch gut für mich.
Mein Mann starb am 5. Oktober, und am 22. September wurde Veronika (Enkelkind, Anm.) geboren. So gab es immer Abwechslung, es war immer etwas los. Dies hat sicher mit beigetragen, daß man nicht so viel sinnieren konnte, und ich mich nie einsam und verlassen fühlte. Wenn ich oft nachts wach im Bette liege, so denke ich sehr gerne an die Vergangenheit, besonders an meine Jugendzeit sowie auch an meine Kindheit, zurück.
Ich wünsche allen meinen Kindern sowie Enkelkindern und welche mir nahestehen, daß sie einmal so zufrieden und glücklich in ihrem Alter an ihr vergangenes Leben zurückblicken können. Es ist das Schönste im Leben der Gedanke: "Ich habe mich immer bemüht, ein guter Mensch zu sein, und seine Pflicht dem Herrgott sowie den Menschen gegenüber zu erfüllen."
Ich glaube auch, es ist nicht richtig, immer nur von der Gleichberechtigung zu schreien, es muß überall ein Oberhaupt geben: im Staat, in der Gemeinde, im Betrieb, so auch in der Familie. Heute will ein jeder überall mitreden, sogar schon in der Schule. Wo bleibt der Friede? Wären je einmal so viel Ehen geschieden worden? Wo bleibt das sechste Gebot? Der Großteil der Jugend lacht darüber. Würde ich erzählen, wie wir in der Kongregation über das 6. Gebot unterrichtet wurden, würden die meisten vollauf lachen. Uns war es ernst und der Segen Gottes blieb nicht aus. Wir waren überzeugt, Gott läßt sich von unsern Opfern nicht übertreffen, er vergibt alles hundertfach, da hätte ich Beweise in Fülle. Sicher ist es für einen jungen Menschen nicht immer leicht, dies und jenes zu entsagen, doch wo der Wille, dort kann man vieles, und Gott gibt auch seine Gnade in reichem Maße.
Bei meinen Kindern hab ich viel erbetet, ich wünsche und hoffe, daß auch meine Enkelkinder den richtigen Weg gehen und finden. Heute ist es sicher viel schwerer, die Welt ist schon zu sehr vergiftet mit Luxus und Wohlstand. Frömmigkeit und Moral und Unschuld sind Fremdwörter, sowie auch Ehrfurcht und Gehorsam gegen Eltern und Ehepartner. Vielleicht klingt es märchenhaft und unglaublich, doch ist es wahr, wir hatten während unserer neununddreißig Ehejahre nie einen Streit.
Man sagt so oft, wenn Kinder da sind, kommt es oft zu Meinungsverschiedenheiten. Ich denke aber, es muß nicht sein, wenn die gegenseitige Achtung und Ehrfurcht da ist. Sehr wichtig wäre halt, wenn sich die Jugend von heute das Sprichwort mehr beherzigen würde: "Es prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet!" Um wie viele weniger Ehescheidungen sowie auch Sorgen und Leid könnten verhindert werden.
Wer könnte sich heute vorstellen, in zwei kleinen Räumen vier Kinder zu erziehen? Als Peter zur Welt kam, hatten wir schon einen dritten Raum (den jetzigen Abstellraum), und den wollte uns Frau Nagler nicht geben. Es war dies im Jahre 1945, es war damals ein deutscher Ingenieur drinnen mit seinen Burschen. Er kam, als mit den damaligen Göringwerken angefangen wurde. Als es brenzlig wurde, flüchteten sie. So wurde der Raum leer. Wir ersuchten gleich Frau Nagler, doch sie zögerte. So gingen wir zur Gemeinde, dann mußte sie nachgeben. Friedl konnte dann drüben schlafen. Dies war eine große Erleichterung. Es dauerte aber nicht lange, so wurde Steyregg sehr schwer bombardiert. So manche Häuser waren unbewohnbar, auch das Gruber neben dem Kindergarten. Die Frau Mühlberger mußte mit ihren zwei Mädchen ausziehen. Sie wurde bei uns für eine Zeit lang einquartiert, dies war alles sehr unangenehm, es war Winter. Als Peter im Jahr 1945 zur Welt kam, waren sie nicht mehr da.
Friedl war bei Willinger, und Greti bei Haslberger, da wir so wenig zu essen hatten. Greti war aber damals auch schon zu Hause, Anni war für einige Wochen beim Schwabeneder, Rosie und Greti schliefen drüben. Die hatten sich so gefürchtet, man konnte die Tür so schlecht zusperren. Als Anni wieder heimkam, schlief sie drüben, die hat sich auch immer sehr gefürchtet.
Es tut mir heute noch leid, wenn ich so denke, eine schöne Kindheit hatten unsere Kinder nicht. Frau Nagler erlaubte nicht, daß die Kinder in den Garten gehen können. Die sahen all die Jahre nie, wie es im Garten aussieht. Weiter als zur Holzhütte durften sie nicht gehen. Ballspielen durften sie auch nicht im Hof. Wenn zu den Mädchen Freundinnen kamen, durften sie auch nicht im Hof bleiben, da hieß es immer: "Wir haben schon so viele Kinder im Haus, geht heim!" Darum waren die Kinder viel außer Haus, außer der Schule war Friedl während der Volksschulzeit viel bei den Matschekos, da durften sie nach Herzenslust herumtollen. Während des Gymnasiums war er viel beim Miesbauer Pauli, der wohnte im Alten Schloß, da fühlte er sich auch sehr wohl. Mir tat dies oft sehr weh, ich fühlte mich oft als Mensch zweiter Klasse.
Die Kinder, glaube ich, fühlten sich deswegen gar nicht so unglücklich, sie kannten ja nichts anderes...
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